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Gericht: Kein Grundrecht auf BAföG

Studentin zählt ihr Geld

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Studierende keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf eine bestimmte Höhe der BAföG-Förderung haben, die ein „ausbildungsbezogenes Existenzminimum“ sicherstellt. Damit bekräftigt das Gericht den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Festlegung und Höhe der Studienförderung.

Studentin klagt auf höheres BAföG

Im Zentrum des Verfahrens stand eine Psychologiestudentin, die in den Jahren 2014 und 2015 BAföG bezog. Die gesetzliche Grundpauschale legte ihren Bedarf für Lebensunterhalt und Ausbildungskosten auf 373 Euro fest, jedoch erhielt sie aufgrund der Anrechnung des elterlichen Einkommens nur 176 Euro bzw. später 249 Euro. Die Studentin klagte, da sie diese Beträge als nicht ausreichend ansah, um ein Studium ohne erhebliche finanzielle Belastungen bewältigen zu können, und argumentierte, dass sie einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf höhere Unterstützung habe. Das Bundesverwaltungsgericht gab der Klage zunächst statt, sah im Sozialstaatsprinzip eine Verpflichtung zur gleichberechtigten Bildungsteilhabe und legte den Fall dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor.

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Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts stellte in seinem Urteil klar, dass die Höhe der Grundpauschale im BAföG für den Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015 mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Der Senat erklärte, dass „es keinen subjektiven verfassungsrechtlichen Anspruch mittelloser Hochschulzugangsberechtigter auf staatliche Leistungen zur Ermöglichung eines Studiums gibt, dem die Bemessung der Grundpauschale widersprechen könnte.“

Aus dem Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum lässt sich laut Gericht keine Verpflichtung des Staates ableiten, Studienkosten vollständig zu decken. Das Urteil unterstreicht, dass der Nachrang des Sozialstaatsprinzips vor dem Prinzip der Selbsthilfe gilt. Solange Studierende durch andere Möglichkeiten wie Erwerbstätigkeit die Möglichkeit haben, Bedürftigkeit zu vermeiden, liegt kein verfassungsrechtlich begründeter Anspruch auf höhere BAföG-Zahlungen vor.

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„Kein Recht auf staatliche Leistungen zur Beseitigung sozialer Ungleichheit“

„Aus dem Sozialstaatsprinzip lassen sich grundsätzlich keine Ansprüche auf staatliche Leistungen zur Beseitigung sozialer Ungleichheiten herleiten“, erklärte das Bundesverfassungsgericht. Auch das Recht auf gleiche Teilhabe am Bildungssystem nach Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG umfasst keinen Anspruch auf eine bestimmte finanzielle Unterstützung. Vielmehr komme dieses Teilhaberecht nur dann zum Zuge, wenn „eine gleichheitsgerechte Teilhabe an den Hochschulen des Staates durch staatliche Maßnahmen“ wie z. B. hohe Studiengebühren oder Kapazitätsbeschränkungen strukturell beeinträchtigt wird.

Erwerbstätigkeit als Möglichkeit der Existenzsicherung

Das Gericht betonte zudem, dass Studierende die Möglichkeit haben, einen Teil ihres Lebensunterhalts durch Nebenerwerbstätigkeit zu sichern. Zwar könne dies zu einer zusätzlichen Belastung führen, jedoch begründe dieser Umstand keinen verfassungsmäßigen Anspruch auf eine bestimmte Höhe der BAföG-Leistungen. Die Bemessung der Grundpauschale im relevanten Zeitraum sei verfassungskonform und belaste die Bildungsteilhabe von Studierenden nicht übermäßig.

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Staatlicher Spielraum und die Notwendigkeit der Priorisierung

Der Senat verwies auch auf die begrenzten finanziellen Mittel des Staates und die Notwendigkeit der Priorisierung. Der Gesetzgeber hat nach dem Demokratieprinzip die Befugnis, selbst zu entscheiden, wie die Sozialleistungen gestaltet werden, und ist daher nicht verpflichtet, speziell im BAföG-Bereich eine Förderung zu schaffen, die alle sozialen Ungleichheiten ausgleicht. Laut Gericht sind „die dem Staat für die Erfüllung aller dieser regelmäßig finanzwirksamen Aufgaben zur Verfügung stehenden Mittel notwendig begrenzt“ und erlauben keine übermäßige Belastung der öffentlichen Kassen. Das Parlament entscheidet somit über die BAföG-Höhe im Rahmen seines sozialpolitischen Ermessens.

BAföG-Erhöhung: Politik in der Verantwortung

In den letzten Jahren wurden die BAföG-Sätze erhöht, zuletzt um 6,2 Prozent. Der Höchstsatz liegt mittlerweile bei 992 Euro monatlich, was laut Sozialverbänden jedoch immer noch unter der Armutsgrenze von 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens liegt. Damit bleibt das BAföG für viele Studierende unzureichend. Diese Feststellung erhöht den Handlungsdruck auf die Politik, die Förderbeträge entsprechend anzupassen.

Reaktionen auf das Urteil

Die Entscheidung hat sowohl in der Politik als auch bei Interessenvertretern hohe Wellen geschlagen. Matthias Anbuhl, Vorsitzender des Deutschen Studierendenwerks, äußerte sich kritisch: „Nach diesem Beschluss ist klar, dass die Höhe der BAföG-Förderung eine rein politische Entscheidung und keine juristische Frage ist.“ Weiter betonte er: „Das BAföG reicht für Studierende nach wie vor hinten und vorne nicht aus.“ Das Urteil zeigt deutlich, dass Studierende auf politische Lösungen angewiesen sind, wenn es um die Höhe der BAföG-Leistungen geht, und nicht auf gerichtliche Entscheidungen.

Titelbild: Lukasz Dro / shutterstock